Wunderschön gefärbter Frauennerfling

Fällt sein Name, so denken viele Nicht-Fischer, es wäre eine weibliche Nervensäge gemeint. Aber auch viele Fischer sind nicht sehr firm, wenn es um ihn geht: den Frauennerfling – einen seltenen, spezialisierten, einen schwierigen und schönen Fisch.

Schon der Name führt laufend zu Verwechslungen, darum möchte ich zuerst den wissenschaftlichen Namen einführen. Bisher wurde er als Rutilus pigus virgo bezeichnet, also eine Unterart des Pigo, der in einigen Seen im Adria-Einzugsgebiet vorkommt. Heute wird der Frauennerfling des Donausystems meist als eigene Art angesehen und heißt jetzt Rutilus virgo. Bei den deutschen Namen ist die Situation unklar. In Oberösterreich nennt man den gewöhnlichen Nerfling auch Seider, während der Frauennerfling eher Nerfling genannt wird. Damit ist die Verwirrung wohl komplett.

Um den Fisch beim richtigen Namen nennen zu können, gilt es ihn aber zuerst mal zu erkennen. Nun möchte man meinen, der schwierigste Doppelgänger des Frauennerfling wäre der Nerfling. Doch diese zwei Arten lassen sich relativ leicht unterscheiden, hat doch der Nerfling ein endständiges Maul und viel kleinere Schuppen (53-63 entlang der Seitenlinie), der Frauennerfling hingegen ein leicht unterständiges Maul und 44-49 Schuppen entlang der Seitenlinie. Kein Fischer wird die Schuppen eines lebenden Fanges zählen, und bei einem toten ist es eh schon zu spät. Denn der Frauennerfling ist österreichweit ganzjährig geschont! Darum gilt es, sich Merkmale wie das Schuppenbild, oder auch den Gesamteindruck anhand von Fotos einzuprägen!

Der Nerfling (Leuciscus idus) hat ein endständiges Maul und deutlich feinere Schuppen
Leicht unterständig – Frauennerfling!
Endständig – Nerfling!

Nein, schwierig wird’s eher im Vergleich mit dem Hasel und dem Rotauge, die haben nämlich beide ebenfalls ein leicht unterständiges Maul und auch der Bereich der Schuppenzahlen überlappt sich mit dem Frauennerfling. Bei kleinen Exemplaren ist ein leichtes Merkmal noch schwer zu erkennen – der Hasel ist schlanker, das Rotauge deutlich hochrückiger als der Frauennerfling. Die Bestimmung juveniler Frauennerflinge gehört mit zu den schwierigsten Herausforderungen in der heimischen Fischfauna. Wer kann diese drei Jungfische bestimmen?

Wer diese 3 Jungfische unterscheiden kann hat die Fischerprüfung bestanden ;-)

Die Auflösung: Oben: Hasel; Mitte: Frauennerfling; Unten: Rotauge

Doch ganz so schwierig ist die Sache bei lebendem Material nicht. Hier können auch Färbungsmerkmale eine Hilfe sein, wie das Fehlen der roten Iris (anders als beim Rotauge!), die oft prächtig rote Flossenfärbung erwachsener Frauennerflinge (häufig auch beim Nerfling!), oder dessen metallisch irisiertende Flanken.

Ein violettes Schimmern der Flanken ist typisch für junge Frauennerflinge, besonders schön bei diesem 7 cm Exemplar im Oktober des ersten Jahres zu sehen. Man beachte wie schlank der Fisch ist!
Frauennerfling (oben) und Hasel (unten) ähneln einander auch später noch stark. Das Maul des Frauennerflings ist zarter, die Form ist „eleganter“.  Wer es sicher wissen will, muss im Zweifelsfall Schuppen oder Flossenstrahlen zählen ..
Das Rotauge (unten) ist deutlich hochrückiger und hat eine rote Iris. Die zurück gelegte Rückenflosse ragt bis hinter den Ansatz der Afterflosse.

Sehr ähnlich sieht auch der Perlfisch aus – dieser ist aber schlanker und hat ein deutlich feineres Schuppenbild. Was viele nicht wissen: Der Perlfisch kommt nicht nur in den Voralpenseen vor, sondern auch in der Donau.

Damit haben wir die Unterscheidungsmerkmale geklärt, doch wo kommt der Frauennerfling eigentlich vor? Nun, seine Ur-Heimat ist die Donau, und hier lebt er auch heute noch, wenn auch recht selten. In der Fließstrecke östlich von Wien ist er etwas häufiger, ein guter Bestand lebt in Fließstrecken der bayerischen Donau. Die Bedingungen stromauf der Mündung des  kalten Inn dürften dem Fisch besonders zusagen. Nur wenige Zubringer der Donau beherbergen ihn im mündungsnahen Bereich, etwa die Aschach, der Innbach oder die Schwechat. Auch in der Unteren Drau und in der Lavant sind Bestände erhalten, und ganz vereinzelt gelangen Nachweise im Mur-Unterlauf sowie in der Sulm und Laßnitz sowie der Leitha.

Ausgestorben ist er hingegen in einer ganzen Reihe von Flüssen. Beispielsweise wurden aus dem Unteren Inn noch Ende der 1990er Jahre Frauennerflinge gemeldet, seitdem ist er aber verschollen. Auch in der Unteren Salzach, Enns, Traun, Raab, Lafnitz, March und Thaya dürfte er ausgestorben sein.

Was ist der Grund, wieso dieser Fisch so selten geworden ist? Wie die historische Fischereiliteratur zeigt, dürfte der Frauennerfling auch früher ein eher seltener Fisch gewesen sein – ein Spezialist offensichtlich, der nur ein sehr enges Spektrum an Lebensräumen nutzt. Bei Elektrobefischungen in der Donau muss man heute mehrere hundert Nasen fangen (schwierig genug ..), bis man auf einen einzigen Frauennerfling trifft. Und das, obwohl sich beide Arten an ähnlichen Plätzen aufhalten – in stark strömenden Bereichen mit kiesiger Sohle.

Der Fisch gehört zu den am stärksten strömungsliebenden Arten der heimischen Fauna. Man findet ihn in Fließstrecken und Stauwurzeln, aber die Stauräume der Kraftwerke selbst meidet er. Den wahrscheinlich einzigen wirklich guten Bestand in Österreich haben Kollegen von der Universität für Bodenkultur im Marchfeldkanal gefunden – in diesem künstlich angelegten Donau-Nebenarm hat sich diese Art sehr gut entwickelt. Einige Exemplare wurden mit Sendern markiert und über längere Zeit verfolgt – auch dabei zeigte sich, dass sich die Tiere überwiegend in den Fließstrecken aufhalten. Der Hauptgrund für das Verschwinden des Fisches aus vielen großen Flüsse sind also offensichtlich die Stauhaltungen, die ihn gemeinsam mit Regulierungen und vielfältigen Wanderhindernissen aus ganzen Gewässersystemen verschwinden haben lassen. Gerade in den letzten Jahren kommt noch der für Larven und Jungfische sehr schädliche, steigende Einfluss des schifffahrtsbedingten Wellenschlags dazu.

Weitere strömungsliebende Fischarten, die gerne gemeinsam mit dem Frauennerfling vorkommen: Barbe, Nase, Huchen und Streber

Dass jemand Frauennerflinge künstlich vermehrt und besetzt hätte, davon habe ich noch nichts gehört. Und das ist auch gut so. Zu groß wäre die Gefahr einer weiteren Schwächung der Bestände durch genetische Nachteile von Besatzfischen, die gerade bei kleinen Beständen besonders drastisch wirken können. Die Wissenschaft beginnt erst zu verstehen, welche Ursachen dahinter stecken, dass Besatzfische und auch deren Nachkommen meist schlechtere Überlebenschancen haben als reine Wildfische. Auch wäre zu befürchten, dass man angesichts besatzgestützter Vorkommen meint, die Fischwelt wäre sowieso in Ordnung. Und vergisst, wo für einen langfristig wirksamen Schutz der heimischen Fischfauna anzusetzen ist – der Wiederherstellung geeigneter Lebensräume!

Denn da ist schon viel geschehen und noch mehr zu tun. Es ist zu hoffen, dass Kiesbänke und Nebenarme, die beispielsweise in der Wachau im Zuge von Life-Projekten angelegt wurden und werden, oder in Form naturnaher Umgehungsgerinne umgesetzte Fischaufstiegshilfen Lebensräume auch für diese schöne Fischart wieder in ausreichendem Ausmaß bieten. Mit dem Ziel, die negative Bestandsentwicklung umzudrehen.

Wiederhergestellter Donau-Nebenarm in der Wachau – ein hervorragender Lebensraum für diese Arten!

Das Beste kommt zum Schluss: Kein anderer heimischer Fisch weist einen so starken Laichausschlag auf wie der Frauennerfling. Sogar den Perlfisch schlägt er diesbezüglich um Längen. Man sollte nicht von einem Ausschlag, sondern von Dornen sprechen, denn die werden fast einen Zentimeter lang! Nicht verwunderlich daher, dass als englischer Name für den Frauennerfling „Cactus roach“ gebräuchlich ist. Bereits im Herbst beginnen Milchner, diese Fortsätze auszubilden, die zur Laichzeit etwa Ende April ihre maximale Ausprägung erreichen. Die Funktion dieser martialisch aussehenden Strukturen ist nicht ganz geklärt. Unter den karpfenartigen Fischen sind derartige Fortsätze vor allem bei kieslaichenden Arten stark ausgeprägt. Es wird eine Schutzfunktion beim Laichgeschäft oder eine Bedeutung bei der Rangelei mit anderen Milchner vermutet. Vielleicht hat der Laichausschlag auch eine Funktion zur der Stimulation der Weibchen bei der Eiabgabe?

Milchner mit starkem Laichausschlag
Bei einer Bestandserhebung auf dem Laichplatz gefangene Milchner


Eleganter Frauennerfling aus der Donau

Insgesamt ein wirklicher Sympathieträger, dieser Frauennerfling. Er ist elegant gebaut, schön gefärbt, und zeigt intakte Flusslebensräume sehr sensibel an. Wenn man einen dieser seltenen Fische mit der Angel fängt, sollte man das als besonderes Glück zu schätzen wissen und das ganzjährig geschonte Tier möglichst rasch wieder in sein Element entlassen. Zum Abschluss gibt’s noch eine kleine Bestimmungsübung .. Auflösung etwas weiter unten!

Bestimmungsübung – halbwüchsige, heimische Flussfische

Die Auflösung:
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Oben: Rotauge

Mitte: Frauennerfling

Unten: Hasel

5 Responses

  1. Manfred

    Super Bericht und Äuserst Proffesionell geschrieben denke das diese Seite auch speziell für den Donauanfänger höchst interessant ist .

    LG Manfred

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  2. Dusan, Slowakei

    Echt proffesionell geschrieben. Seit dem Gabčikovostaudamm gebaut wurde (1992), dieser Fisch in der Slowakischenteil der Donau lebt nicht mehr . Ich erinnere mich for 25 Jahren auf 50 -60 cm Frauennerflinge. Leider sind auch andere Fischarten stark dezimirt. Mir tut es so leid. Denen, welche Staudämme ohne Biokoridoren bauen lasste, solte man beschtraft !!!

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  3. wolfgang schmid

    Wir haben bei unsern Verein Nasen von 6-8 CM eingesetzt in den letzten 4 Jahren und haben Heuer sehr viele Haseln in der Größe von ca 15 cm gefangen. Gibt es das Phänomen das die Nasen im Jungen Jahren der Hasel ähnlich schauen und einen runden Mund haben und erst im Alter eine Typische flache Mundöffnung bekommen.

    Bitte um Info
    LG Wolfgang Schmid

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    • Clemens Ratschan

      Hallo Wolfgang,

      Nasen und Haseln schauen sich im ersten Jahr tatsächlich recht ähnlich, v.a. in Größen von 2-4 cm.
      Bei 3-4 cm ist die scharfkantige, gerade Unterlippe aber bei genauem Hinschaun schon eindeutig zu erkennen.
      Mit 15 cm sind sowohl Nase als auch Hasel ganz eindeutig unterscheidbar – die verhornte, gerade Lippe ist ganz deutlich erkennbar.
      Nasenbesatz hat in vielen Fällen wenig Erfolg (wenn der Lebensraum nicht passt -> Priorität auf Lebensraumverbesserung setzen!).
      Weiters stellt sich die Frage der Herkunft. Besatz mit standortfremdem Material (z.B. Tschechien – Elbeeinzugsgebiet) ist unverantwortlich.

      Bei vielen Cyprinidenarten sind deutlich schwankende Jahrgangsstärkten typisch – vielleicht lässt sich damit das starke Auftreten der Hasel erklären.

      Lg,
      Clemens

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