Auf pfeilschnelle Kämpfer und stählerne Muskelpakete – Teil 4
Die Grundausrüstung – was, wie und warum!
Der Teil IV dieser Artikelserie soll den aufmerksamen Leser in die Lage versetzen, eine Trolling-Ausrüstung selbstständig zusammen zu bauen, einzustellen und zu handhaben.
Rute und Rolle zusammenbauen
Dabei wird leider sehr oft nachlässig gearbeitet; unter Belastung fängt dann die Rolle an zu wackeln und endet meist damit, dass der Angler nicht mehr richtig kurbeln kann und während des Drills rum geschraubt werden muss. Damit das nicht passiert:
Das Wichtigste auf einen Blick:
Zauberstab Meeresangelrute
Ich behandele hier nur solche, die für den Einsatz mit einer größeren Multirolle bestimmt sind. Es gibt zwei Bauarten: Eine die im Stuhl eingesetzt wird – ich nenne sie „Kampfstuhlrute“; die stehend gefischt wird nenne ich „Stand-Up-Rute“. Vom Kampstuhl aus gemessen, sollte die Rutenspitze einer Kampfstuhlrute bis knapp über die Reling reichen; die Gesamtlänge einer Kampfstuhlrute liegt deshalb zwischen 7 Fuß (210 cm) und 8 Fuß (240 cm). Der Standsicherheit wegen sollte eine Stand-Up-Rute nicht länger als 6 Fuß (180 cm) sein.
Jetzt noch kurz zur Rutenausstattung: In den Leinenklassen 50 bis 130 empfehle ich nur Ruten mit Aluminiumfüßen plus Kreuzschlitz, Aluminiumrollenhalter und bei Kampfstuhlruten Qualitätsroller durchgehend; bei Stand-Up-Ruten reicht ein Spitzenroller – der aber sollte von bester Qualität sein! Laufen Rollerringe nicht richtig, kann die Leine unter Last und bei einer hohen Auslaufgeschwindigkeit durchbrennen. Nach jedem Urlaub schraube ich die Rollerringe auseinander, überprüfe die Laufflächen, reinige die Lager und fette sie mit einem säurefreien Schmiermittel ein. Etwas Schraubenkleber sichert gegen Aufgehen.
Die Magie einer Meeresrolle
Meine schönsten Angelerinnerungen sind immer mit den dabei benutzten Angelgeräten; wohl auch ein Grund dafür, dass mich Meeresangelrollen und Köder immer und überall magisch anziehen. Ich beschreibe hier eine ältere Penn-Rolle (80 STW) mit „Schiebehebel-Bremssystem (Drag Lever)“. Zuerst bespule ich die Rolle; dabei und danach muss die Leine knochenhart und gleich verteilt das Spulenvolumen ausfüllen! Vom oberen Rand der Spule lasse ich etwas mehr als fünf Millimeter Sicherheitsabstand.
Durch zügiges Abziehen bei voller Spule stelle ich jetzt mit einer Federwaage die Grundbremseinstellung ein.
So geht das: Den Bremshebel direkt an den STRIKE-Anschlagstift schieben; mit einer Federwaage muss ich dann dort eine Zugkraft von einem Viertel der maximalen Leinentragkraft messen – ich nenne diese Position „Viertel-Stellung“. Das Nachstellen der Bremse geht so: Bremshebel zurück auf „FREE“, dann die „PRESET-Schraube“ (Grobeinstellung) „MORE (mehr)“ oder „LESS (weniger)“ im Wechsel Schritt für Schritt drehen/schieben, bis ich die Einstellung „ein Viertel der Leinentragkraft“ messe.
So funktioniert eine Schiebebremse (der Firma PENN): Eine glatte, planparallele Stahlscheibe liegt zwischen zwei Reibscheiben. Die Stahlscheibe ist über ihren Lochkreis und die Fixierstifte der Spule radial mit dieser gekoppelt.
Die Reibscheiben sind durch ihre Verzahnungen und über das Zahnprofil der Rollenachse kraftschlüssig verbunden – die beiden Reibscheiden nehmen die Metallscheibe sozusagen in die Zange und drehen sie (bis der Leinenzug zu groß wird) mit. Für die Beschichtung der Reibscheiben verwenden die meisten Hersteller heutzutage einen Karbonverbundwerkstoff. Der Anpressdruck der Reibscheiben – daraus resultiert letztendlich die Bremskraft! – wird über eine Druckfeder mit der PRE-SET-Schraube (Grobeinstellung) oder dem Bremshebel (Feineinstellung) eingestellt. Letztendlich liegen allen Rollen-Fabrikaten mit Schiebebremse ähnliche Systeme zugrunde!
Der Rollenkörper und das Innenleben jeder Rolle hat eine Maximalspannungs- und Abwärme-Belastungsgrenze, soll sagen: Eine 80lb-Rolle (10/0) ist für Bremskräfte bis ungefähr 400 Newton (entspricht zirka 40 Kilogramm) ausgelegt und nicht mehr!
Das Phänomen „Leinenreserve – Zugkraft“:
In der obigen Skizze zeichnete ich den maximalen Leinenfüllradius (R = Spule voll), den Spulenkernradius (r = Spule leer) ein; zwischen „R“ und „r“ liegt die jeweilige Leinenreserve – ich bezeichne den entsprechenden Füllungsradius mit „I“. Zieht jetzt bei voller Spule (R = I) ein Fisch ab, heißt das: die Leine läuft aus und der Füllungsradius (I) nimmt ab; nur allein durch diese Abnahme steigt der Leinenzug (F) an! Warum ist das so? Das mit der Federwaage bei voller Spule eingestellte Bremsmoment (= R x F) bleibt in allen Positionen gleich – das ist halt bei Reibscheiben bzw. Reibkräften mal so! Da jetzt aber die Leinenreserve „I“ abnimmt, muss dann wohl oder übel die Leinenkraft (L) größer werden (R x F = I x L = konstant)! Wer mehr zu diesem nicht ganz einfachen Thema wissen will, empfehle ich die Lektüre unseres Buches Bluewater-Fishing (ab Seite 90), Kosmos Verlag Stuttgart, 2000.
Das Ganze gilt selbstverständlich auch für Stationärrollen: Bei „R“ ist die Spule voll; der Leinezug (L) geht über das Schnurlaufröllchen auf den jeweiligen Radius (I). Bei den relativ kleinen Spulendurchmessern einer Stationärrolle macht es aber keinen Sinn, sich im Detail zu verlieren. Ich stelle bei meinen Stationärrollen (bei voller Spule) immer ungefähr ein Achtel der Leinentragkraft als „Anbiss-Stellung“ ein.
Mit welcher Bremseinstellung erwarte ich den Anbiss?
Anfängern empfehle ich (wie im Foto oben) mit Hilfe eines Klebebandes eine Hilfsskala an zu bringen. Jetzt messen sie mit der Federwaage und beschriften folgende Punkte: Am Anschlag unterhalb des STRIKE-Stiftes die „Viertel-Stellung“ (bei der Musterrolle 50 lb : 4 = 12,5 lb), ungefähr in der Mitte der Gravur „STRIKE“, die „Anbiss- Warteposition“ (hier bei 8 lb), dann noch den ersten messbaren Widerstand (4 lb). Am Anschlag oberhalb des STRIKE-Stiftes sind es 18 lb; am Ende des Schiebebereichs sind es 23 lb.
Meine Bremseinstellungen während des Drills: Wenn ein Fisch langsamer wird schiebe ich den Bremshebel bis zur „Viertel-Stellung“ hoch; sollte sich dann immer noch keine Leine aufspulen lassen, schiebe ich vorsichtig über die „Viertel-Stellung“ hinaus, bis sich die Leine (gerade) aufspulen lässt. Kommt der Fisch in Bootsnähe, nehme ich den Hebel wieder nach und nach bis zur „Viertel-Position“ zurück; wenn die Crew das Vorfach packt, gehe ich mit dem Hebel zurück bis zu der „Anbiss-Stellung“ – dabei aber ja nicht versehentlich bis runter auf „FREE“ schieben!
Jetzt noch kurz etwas über die Übersetzung einer Angelrolle: Die meisten (besseren) Multirollen werden heute mit einem Zweigangschaltgetriebe angeboten. Wenn ein toter Fisch hoch gepumpt werden muss oder dem Angler die Puste ausgeht, sind Zweiganggetriebe sehr hilfreich! Beim Stand-Up-Angeln kommt es letztendlich auf die schnelle Reaktion des Anglers an, will sagen: Die Rute soll während des Drills immer voll durchgebogen bleiben – denn schließlich arbeitet dabei die Rute für den Angler! – und das ist mit einer größeren Übersetzung schneller zu bewerkstelligen! Was bedeutet die Herstellerangabe: „Übersetzung 3,1:1“? Bei einer Kurbelumdrehung wird die Spule (über das Zahnradgetriebe) etwas mehr als dreimal gedreht, sagt auch: Bei einer Kurbelumdrehung bringt der Angler dreimal den (momentanen) Umfang der Leinenreserve zurück auf die Spule – deshalb spricht man auch von: „Leineneinzug pro Kurbelumdrehung“. Die höhere Einzugsgeschwindigkeit gibt es aber nicht umsonst; sie geht leider einher mit einem größeren Kraftaufwand – Analogie Fahrradschaltung! Der Einzug pro Kurbelumdrehung und die Kraft beim Kurbeln sind selbstverständlich auch immer abhängig von der jeweiligen Leinenreserve. Mir ist klar, dass gerade Anfänger dies alles nicht auf Anhieb verstehen; meines Erachtens reicht deshalb fürs Erste die Beachtung der unten aufgeführten Punkte:
Richtig Drillen
Ich fange mit dem Stand-Up-Angeln an. Bereits vor der Ausfahrt sollte der Angler die Rutschsicherheit seiner Schuhe (auf dem Bootsdeck) testen und eine Möglichkeit sich an der Reling abzustützen bzw. ein zu spreizen suchen.
Das bringt gegenüber „freistehend Drillen“ wesentlich mehr Standsicherheit; auch wird dadurch eine Erhöhung der Bremskraft möglich! Ich angele mit Fünffuß- bis Sechsfußruten, plus Multirolle mit Schiebebremse. Die Rolle ist bespult mit Mono oder (klassisches) Dacron plus Mono eingespleißt. Geehrter Leser, starten Sie mit einer Sechsfuß-Rute in der 50er-Leineklasse; erst wenn Sie sich damit sicher fühlen und auch leidensfähig sind, sollten Sie es auch mal mit einer Fünffuß-Rute in der 80er-Leinenklasse versuchen. Als Drillrhythmus (zurück-vor) schlage ich (entsprechend Fischwiderstand) eine halbe bis eine Sekunde vor; in jedem Fall müssen Sie darauf achten, dass die Rute während des Drills immer (voll) durchgebogen bleibt! Meine Einschätzung der maximalen Bremskraft beim Stand-Up-Angeln:
Freistehend gerade noch (L =) 15 Kilogramm; an der Reling abgestützt bis zu 25 Kilogramm. Beim Drillen mit längeren Ruten (z. B.: mit 8 Fußrute beim Poppern) ist meines Erachten bei 12 Kilogramm Schluss.
Das Angeln im Kampfstuhl ist die klassische Variante des Meeresangelns bzw. eigentlich war und ist dieser der Platz für die großen Leinenklassen! Wer aber mit der 50er-Leinenklasse im Kampfstuhl drillt, hat keine Vorteile gegenüber dem Stand-Up-Angeln. Ich benutze im Kampfstuhl Multirollen mit Zweiganggetriebe und Schiebebremse. Mein Drill-Rhythmus (einmal zurück und vor) liegt im Stuhl zwischen einer bis zwei Sekunden. Wem noch das Gefühl für die Rute fehlt, sollten immer die Rutenspitze im Auge behalten; geht die (bei voller Belastung) langsam zurück, sollte sofort mit schnellem Kurbeln (mindestens zwei bis drei Umdrehungen) beginnen. Bereits vor der Ausfahrt sollte der Kampfstuhl für den Angler eingestellt werden! Das kardanische Stuhlgelenk lässt sich (der Oberkörpergröße des Anglers entsprechend) problemlos in der Höhe verstellen; das Fußbrett lässt sich in Längsrichtung (entsprechen der Beinlänge des Anglers) verschieben. Jetzt auch hier noch meine Einschätzung der maximal möglichen Bremskraft im Kampfstuhl:
Ein trainierter und auch leidensfähiger Meeresangler hält meines Erachtens bis ungefähr 40 Kilogramm aus. Noch einige Worte zu meiner Vorstellung von „leidensfähig“: Wer noch nie seinen „inneren Schweinhund“ psychisch und physisch finden und überwinden musste, ist (noch) nicht leidensfähig! Beim Meeresangeln aber etwas vorsichtiger sein, hat damit überhaupt nichts zu tun und ist auch keine Schande!
Der Vollständigkeit halber und auch als Hilfe beim Einkauf, hier noch die (traditionalen) Maß- und Umrechnungseinheiten der Meeresangler: 1 Meter (m) entspricht 1,094 Yard; 1 Yard (yd.) entspricht 0,914 m; 1 m entspricht 3,28 Feed (ft); 1 Feed entspricht 30,48 Zentimeter (cm); 12 Zoll (in) entsprechen 1 Feet; 1 Yard entspricht 3 Feet; 1 Inch entspricht 2,54 cm; 1 cm entspricht 0,39 Inch.
Bei Stahlseil und Stahldraht findet man oft solche Durchmesser-Angaben: „.049“ bedeutet 0,049 Zoll und entspricht einem 1,25 Millimeter Durchmesser; „1/16“ bedeutet ein sechszehntel Zoll und entspricht einem 1,59 mm Durchmesser.
Die während des Drills wirkenden Kräfte vergleichen wir Angler in der Regel mit der Masseeinheit Kilogramm (kg). In der Praxis resultieren diese Kräfte aber größtenteils aus der Flucht des Fisches und/oder den Drillanstrengungen des Anglers; und das sind keine statischen sondern dynamische Lastfälle – solche wie die, die beim plötzlichen Bremsen eines Autos oder beim Spannen einer Feder auf uns wirken! Indem wir Kräfte mit Kilogramm messen, benutzen wir (meist ohne es zu wissen) die alte Krafteinheit Kilopond (kp); heute gilt aber: Die Masse 1 Kilogramm erzeugt im Schwerfeld der Erde eine Zugkraft oder Gewichtskraft von zirka 10 Newton (N).
Auch hier werden immer noch die traditionellen englischen Einheiten verwendet: 1 Pound (lb) entspricht 0,454 Kilogramm (kg); 1 kg entspricht 2,205 lb; 1lb entspricht 16 Ounce (oz); 1oz entspricht 28,25 Gramm (gr).
Eigentlich wollte ich in diesem Kapitel auch noch die wichtigsten Knoten und Montagen vorstellen. Da der Teil IV aber relativ groß geworden ist, hebe ich mir die Knoten für den letzten Teil meiner Artikelserie auf.
Robert Rein im Januar 2012
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Robert Rein
Familienstand: verheiratet, 1 Tochter
Lieblingsfischarten: Ich freue mich über jeden Fisch bzw. bin schon froh, wenn überhaupt was beißt – von denen dann aber liebe ich die Goldmakrele (beim Drill und in der Pfanne) ganz besonders.
Lieblingsgewässer: Das Meer und große Flussmündungen – inshore, onshore und offshore.
Lieblingsmethode: „Selfmade-Angeln“ vom kleinen Booten aus. Auch halte ich nicht sonderlich fiel von Stückzahlen und geschätzten Fanggewichten in Catchreports – ganz besonders dann, wenn sie auf „Charterbooten mit Vollbetreuung“ gefangen wurden. Auch geht bei mir das Bootsteam über Alles, soll sagen: das Team fängt in erster Linie!
Wie bin ich zum Angeln gekommen: Mit 10 kämpfte ich meine ersten Karpfen und Hechte (am Irrsee in Ober-Österreich) nieder – die Würfel waren gefallen; in meiner Jugend dann, war ich als gebürtiger Saarländer (selbstverständlich) mehr in Frankreich als in D und in F wird (fast) jeder früher oder später zum leidenschaftlichen Angler; dazu noch Wandervogel und Freidenker – fertig war der Meeresangler! In jedem Fall waren und sind mir aber Land und Leute und auch die Genüsse des jeweiligen Landes mindestens genauso wichtig wie das Angeln!
Warum ich zum Meeressangeln gehe: Weil ich seit frühester Jugend das Meer unendlich liebe.
Funktionen: Seit Mitte der 1980er IGFA-Repräsentant in Bayern, seit 2009 auch IGFA-Captain.
Mein schönster Fang: Im April 2003 erlegte ich vor Mauritius einen Blauen Marlin mit 1001lb.; der dann der erste ordnungsgemäß gefangene Blue Marlin Grander mit 80lb.-Leine vor Mauritius wurde! Der Drill dauert mehr als vier Stunden und außer mir waren nur der Skipper, ein Wireman und meine Frau an Bord.
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