WARNUNG: Eventuell könnte das Lesen dieses Berichts einen ernsthaften Angelfluch übertragen. Dem Autor wäre dies gar nicht so unrecht, solange er selbst ihn alsbaldigst wieder los wird.

Bei der Abreise war alles noch fluch-frei. Denke ich zumindest.

Bei der Abreise war alles noch fluch-frei. Denke ich zumindest.

Eigentlich hätte dieser Artikel ja „Lachsfischen mit Notfallplan“ heißen sollen. Was ich allerdings nicht wusste, ist, dass der Notfallplan manchmal nochmals einen eigenen Notfallplan benötigt, der wiederum auch nicht immer funktioniert. Verwirrt? Gut. So geht´s mir schon die ganze Woche. Aber mal langsam, bzw. „cheers“, schließlich wird während dem Verfassen dieser Zeilen gerade ein kühles Guinness gezischt, dass ich mir wahrlich mehr als nur verdient hab. Und ja, das zweite Pint ist gedanklich schon in Planung, soviel sei bereits verraten.

Fly fishing for spring salmon is a tough game„, fasste es mein Ghillie Paddy Macdonnel mit einer Selbstgedrehten zwischen den Zähnen irgendwann während der letzten Tage an den Ufern des weltberühmten Moy in West-Irland treffend zusammen. Ganz besonders zäh wird das Spiel allerdings, wenn kürzlich noch massives Hochwasser die Region heimgesucht hat, nahezu die ganze Woche starke Windböen die Gegend eiskalt durchföhnen und ja, die eigentlichen Zielfische anscheinend gerade auf Au-Pair-Besuch in … keine Ahnung wo, aber auf alle Fälle nicht hier sind.

Aber halt. Von Anfang an. Die Idee war also Ende März an die irische Westküste zu fahren um dort eben den einen oder anderen Spring Salmon (Frühlingslachs) an die Fliegenrute und im Idealfall sogar in den Kescher zu bekommen. Primär sollte dabei am Moy geangelt werden, und wenn das gerade mal nicht so vielversprechend ist, dann kann spontan (eben als Notfallplan) auf sogenannte „Spate Rivers“ ausgewichen werden. Das sind wiederum Flüsse, die extremst sensibel und rasch auf Niederschläge reagieren und somit grandiose Bedingungen bieten können, während andere Gewässer im gleichen Moment unfischbar sind. Soweit mal der Plan. Als ich vor einer Woche in Dublin ankam und gegen Mitternacht das Mietauto in Empfang nahm zeichneten sich allerdings bereits erste Fluch-Anzeichen ab, und damit meine ich nicht den Linksverkehr, der ebenfalls neu für mich war. Während ich durch das nächtliche Irland fuhr begann es nämlich ungefähr in der Mitte der rund dreistündigen Fahrt zu schneien. Als wäre das nicht genug beteiligte sich wenig später auch noch Nebel an dem meteorologischen Potpourri. Und als wäre das noch nicht genug stand plötzlich ein Rehrudel auf der Fahrbahn.

Da die Straße ohnehin gänzlich ausgestorben war verlief das Brems-/Ausweichmanöver zwar relativ unspektakulär, aber das Herz schlug trotzdem bis zum oberen Rand der zur Winterjacke umfunktionierten Watjacke. Je weiter ich in Richtung Westküste kam, desto mehr löste Regen den Schnee ab. Dieser wurde wiederum prompt so stark, dass ich – mangels Sicht über zehn Meter hinaus – jegliche Wegbeschreibung vergessen konnte, und ja, das Navi stieß natürlich auch gleich mal an seine kartographischen Grenzen. Also wurde noch eine halbe Stunde in Foxford, meiner Heimat für die nächste Woche herumgeirrt, ehe ich gegen halb vier endlich in die weiche Matratze des B&B sinken konnte.

Der Owenduff lockt mit absolut natürlichem Flusslauf in wunderbarer Natur.

Der Owenduff lockt mit absolut natürlichem Flusslauf in wunderbarer Natur.

Da es die ganze Nacht durchgeschüttet hat stand für Tag eins bereits der Notfallplan am Programm, es wurde auf den Owenduff (zu deutsch: schwarzer Fluss) ausgewichen, was wiederum knapp 90 weitere Minuten Autofahrt bedeutete bevor die Schnur schließlich zum ersten Mal gewässert werden konnte.

Kurz zusammengefasst: Der erste Tag brachte nichts. Ghillie Paddy konnte zwar kurz einen Lachs ausmachen, der meine Fliege verfolgte aber ebenso rasch wie er aufgetaucht ist, auch wieder in den schwarzen Fluten verschwand, bevor ich ihn überhaupt erst zu Gesicht bekam. Bei der Rückfahrt nach Foxford konnten wir immerhin einen wunderschönen Sonnenuntergang am Lough Cullin bewundern, was für den ersten fischfreien Tag entschuldigte.

Sensationeller Sonnenuntergang am Lough Cullin.

Sensationeller Sonnenuntergang am Lough Cullin.

Am folgenden Tag wollten wir es nun aber auch am Moy wissen und versuchten trotz deutlich erhöhtem Wasserstand unser Glück. Habe ich bereits erwähnt, dass Paddy auch zertifizierter Wurflehrer ist? Nein? Gut, dann mache ich das jetzt. Auf alle Fälle ist es gut, dass er über die nötigen didaktischen Eigenschaften verfügte einem absoluten Zweihand-Newbie wie mir die ersten Lektionen im Spey Casting zu vermitteln, Zeit genug dafür hatten wir allemal, denn trotz zahlreicher Spotwechsel brachten auch Tag zwei und drei keinen Fisch. Somit standen eben stundenlange Lektionen in Ein- und Zweihand-Spey Casting am Plan.

Weather? Shitty! Spey Casting? Slightly improving...

Weather? Shitty! Spey Casting? Slightly improving…

Wenn ein Single-Spey dann mal aufgeht, dann ist das schon wirklich eine schöne Art der Fischeri.

Wenn ein Single-Spey dann mal aufgeht, dann ist das schon wirklich eine schöne Art der Fischeri.

Natürlich überzeugt auch die Weite bei den Zweihandwürfen.

Natürlich überzeugt auch die Weite bei den Zweihandwürfen.

Und nach einem Weilchen kamen auch Double-Spey und Circle-Cast dazu.

Und nach einem Weilchen kamen auch Double-Spey und Circle-Cast dazu.

Wobei gar kein Fisch auch nicht stimmt, einmal spürte ich einen sanften Schlag auf die Lachsfliege (der von Paddy prompt in markant irischem Englisch mit „the tuck is the drug“ – gesprochen „ta tak is ta trak“ – kommentiert wurde) und ein weiteres Mal versuchte sich eine kleine aber wunderschöne wilde Moy-Bachforelle an der Lachsfliege. Am #8 Zweihandgerät hielt sich der Drillspaß zwar in Grenzen aber die Freude über den ersten irischen Fisch war dennoch groß.

Klein, wild, wunderschön: irische Brownie.

Klein, wild, wunderschön: irische Brownie.

Somit war Halbzeit angesagt, und ausser der Brownie sah die Fangbilanz noch mager aus. Also kam ein weiterer Notfallplan ins Spiel, nämlich die Browntrout-Fischerei im klassischen irischen Lough-Wetfly-Style. Konkret bedeutet dies mit sehr langen Ruten (in meinem Fall war es eine #4 in 11 ft.) zwei Nassfliegen parallel anzubieten, wobei eine der beiden als Springerfliege montiert ist. Das Prinzip ist simpel: Rein in die Drift, raus mit den Fliegen, zwischen fünf und sieben Mal einstrippen (ja nicht weniger/mehr – eine der vielen irischen Angelprinzipien, die in keinem Fall gebrochen werden dürfen), noch etwas mit der Schnur spielen und wieder raus damit. Die befischten Loughs suchen laut meinem Ghillie europaweit ihresgleichen, wenn es um wilde Bachforellen geht. Normalerweise (d.h. ohne Angelfluch oder dergleichen) ist hier pro Drift mit rund fünf Fischen zu rechnen. Was soll ich sagen. Nachdem ich eineinhalb Stunden ohne Fisch geangelt hatte machte unser Aussenborder schlapp und zwang – nach einer gehörigen Rudereinlage seitens Paddy – uns zu einer Pause zum Motorentausch in einem nahen Angelgeschäft. Neuer Motor wurde montiert, da der fischereiliche Erfolg ausblieb entschied sich mein Ghillie auch gleich für einen Spotwechsel zu einem anderen Lough. Dort angekommen sprang auch Motor zwei am soeben geslippten Boot nicht an. Also rückte Paddy nochmals aus um abermals einen anderen Motor auszuleihen. Dieser funktionierte schließlich auch (meistens) und wir verbrachten den Nachmittag wieder mit dem irish-wetfly-fishing. Nach rund 20 Drifts blieben wir also doch etwas deutlich unter dem regionalen Schnitt und ich konnte zwei weitere kleine Brownies mit sehr interessanter Färbung (nahezu schwarzer Rücken) in die Statistik eintragen.

Lough-Brownies mit sensationeller Färbung.

Lough-Brownies mit sensationeller Färbung.

11 ft. Rute auf Full-Speed-Mode.

11 ft. Rute auf Full-Speed-Mode.

Je stärker der Wind wurde, desto enger mussten auch die Loops werden.

Je stärker der Wind wurde, desto enger mussten auch die Loops werden.

Somit blieben noch zwei Tage um endlich zum Zielfisch zu kommen. Zuvor stand allerdings noch ein Besuch eines der zahlreichen Pubs in Foxford an, schließlich ist es nie verkehrt über etwas mehr Stärke zu verfügen (siehe Bild links unten), wenn denn dann endlich Salmo Salar die Fliege packt.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

Dem ist wohl nichts hinzuzufügen.

In Foxford stehen übrigens allgemein die Zeichen ganz unglaublich auf Fisch. Nahezu alles hier hat ein „Angler“ oder ähnliches im Namen und ja, in jedem Pub ist (neben der englischen Premiere League und der irischen Gaelic Football League) das Lachsfischen und die aktuellen Wasserverhältnisse am Moy das Thema Nummer eins. Spannend ist hier auch die Tatsache, dass jeder – wirklich jeder, ein absoluter Vollprofi-Fliegenfischer zu sein scheint und dennoch die Meinungen komplett kontrovers sind. „Komplett normal„, erzählt Paddy, „niemand glaubt dem anderen irgendetwas und ganz allgemein herrscht sowieso ein riesen Wettbewerb unter den irischen Anglern – Du kannst zwei Lachse innerhalb weniger Minuten an einem Pool fangen und dennoch werden Dir genügend Leute sagen, dass dieser Pool nicht gut ist und du sowieso keine Ahnung hast„.

Ob "Mayfly Hotel" oder ...

Ob „Mayfly Hotel“ oder …

... "The Anglers Bar", das Fliegenfischen begegnet einem in Foxford an jeder Ecke. Übrigens genauso wie ein frisch gezapftes Guinness.

… „The Anglers Bar“, das Fliegenfischen begegnet einem in Foxford an jeder Ecke. Übrigens genauso wie ein frisch gezapftes Guinness.

Der Rest ist schnell zusammengefasst: Fischen bis der Arm fast abfällt und dennoch kein Erfolg. Einmal konnte ich einen Fisch beim Rauben an der Oberfläche beobachten, allerdings blieben auch hier verschiedenste Annäherungsversuche ohne Erfolg. Ausser einer Mini-Brownie zeigte sich kein weiterer Flossenträger mehr, dafür ließ Irland in jeglicher anderer tierischer Hinsicht während dieser Woche die Muskeln spielen: raubende Fischotter, schwimmende/laufende Nerze (sind übrigens viel viel kleiner als ich mir das gedacht hätte), Eichhörnchen, Dachse und natürlich an jeder Ecke die klassischen Nutztiere wie Esel, Pferde, Rinder und Schafe, Schafe, Schafe. Von den Fischen abgesehen entpuppte sich Irland während der vergangenen Woche somit als echtes Tierland.

Ob große Schafe, oder ...

Ob große Schafe, oder …

... kleine Schafe: hauptsache weiß und wollig - willkommen in Irland.

… kleine Schafe: hauptsache weiß und wollig – willkommen in Irland.

Wenn schon die Lachse nicht wollten, die irischen Esel mochten mich immerhin.

Wenn schon die Lachse nicht wollten, die irischen Esel mochten mich immerhin.

At least we are alive„, fasstes es Ghillie Paddy Macdonnell mit seinen 40 Jahren Guiding-Erfahrung schlussendlich zusammen. Und damit hat er wohl auch recht. Es ist nichts passiert und alles andere sind wohl Luxusprobleme, bzw. in der anderen Richtung gesehen ganz einfach nur Lektionen in Demut. Vor der Natur, dem Fisch und den tausenden kleinen Faktoren die eben auch noch mitspielen um eine Angelreise fischereilich erfolgreich zu machen. Da wir hier eben ausschließlich auf Wildfisch angelten ist dies eben manchmal einfach so. Und aus. Und ich hätte bitte gerne noch ein Guinness, schließlich bin ich auf die sieben- bis zehntausend Würfe der vergangenen Woche (ja, wir hatten auch genug Zeit die verschiedensten Zahlenspiele anzustellen) schon auch ein bisschen stolz.

Tight lines und cheers, gue

PS: Organisiert wurde die Reise übrigens (wie auch schon mein Island-Trip im letzten Jahr) über pukka destinations. Wer also Interesse an einer Irland-Lachsreise an den Moy hat (und im Idealfall  ohne Angelfluch anreist), dem sei diese Reiseagentur wärmstens empfohlen.

 

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