Seit über 30 Jahren fischt der Vorarlberger Günter Feuerstein mit der Fliege und hat sich in dieser Zeit als Wurflehrer, Buchautor und Guide auch über die europäischen Grenzen hinaus einen Namen gemacht. Im Interview fordert er ein Umdenken an vielen Vereinsgewässern, verrät seine Meinung zur weiteren Entwicklung der Fliegenfischerei und erklärt warum Stufe Fünf manchmal prompt wieder Stufe Eins wird.
Günter, Du bist ja ein echter Tausendsassa im FliFi-Bereich, bist Wurflehrer, Guide, sehr viel auf Angelreisen unterwegs und außerdem noch Buchautor – wie viel Zeit findest Du denn selbst noch zum Fischen, bzw. hast Du überhaupt noch so großen Spaß daran?
Ich komme gerade vom Fischen am Alpenrhein und wer sich bei dieser Kälte (Anm.: das Interview wurde Mitte Februar bei durchschnittlichen -5 bis -10 Grad Außentemperatur geführt) ans Wasser stellt muss wohl noch Spaß daran haben (lacht).
Aber ja, natürlich verändert sich das Angeln über die Jahre. Ich denke, dass ein Angler hier einfach verschiedene Stufen durchmacht. Von der ersten Stufe (mal einen Fisch fangen) über die Stufen zwei (viele Fische) und drei (große Fische) hin zur vierten (viele große Fische) schlussendlich zur fünften und letzten Stufe, nämlich den Fisch des Lebens zu fangen. Und wenn sich dann diese Chance bietet ist der Angler sehr schnell wieder auf Stufe eins: sprich, er will ihn einfach fangen. Das ist doch auch das schöne daran: man kann nichts erzwingen. Beispielsweise gibt es bei uns am Alpenrhein wilde Regenbogenforellen jenseits der zehn Kilogramm, und genau deswegen stell ich mich bei dem Wetter ans Wasser und nehme auch Schneidertage in Kauf. Übrigens war auch heute so ein Tag.
Wohin siehst Du persönlich denn die zukünftigen Entwicklungen der Fliegenfischerei?
Die Entwicklungen bei der Fliegenfischerei gehen Hand in Hand mit den Entwicklungen bei den Gewässern. Leider sind ein Großteil unserer Fließgewässer ja nur mehr ein Schatten ihrer selbst und haben den Zenith schon längst überschritten. Was der Kormoran vor Jahren begonnen hat, ist jetzt durch die Wasserkraft ganz im Eimer. Ich will jetzt nicht schwarzmalen, klar gibt es noch gute und auch sehr gute Fliegenfisch-Gewässer, nur lassen sich die Besitzer und Pächter genau diese Eigenschaften im Normalfall auch gut bezahlen. Ein Trend der immer stärker kommt ist die Salzwasserfischerei, das bemerke ich in den letzten zehn Jahren. Man hat bei diesen Destinationen ja auch den großen Vorteil, dass man im Normalfall die Frau oder Freundin nicht erst zum Mitkommen überreden muss und man somit Urlaub und Angeln perfekt verbinden kann. Was die meisten Fliegenfischer allerdings auch noch gänzlich außer Acht lassen sind Karpfen, Hecht, Barsch, Wels und weitere Nicht-Salmoniden, die in unseren Gewässern anzutreffen sind, als Zielfische.
Warum gibt es hier noch so großen Aufholbedarf?
Einerseits sind natürlich viele Gewässer vom Landschaftlichen für Fliegenfischer beschränkt. Ich denke insbesondere die Fliegenfischerei auf Hecht sollte hier mehr Beachtung finden, was aber zugleich dazu führen muss, dass viele alteingesessene Vereinsheinis ihre Meinungen überdenken müssen. Oftmals gibt es beispielsweise ein rigoroses Belly Boat-Verbot, ohne dass die entscheidenden Personen überhaupt wissen warum und wieso. Diese „alles was neu ist ist schlecht“-Meinung hilft einfach niemandem. Gerade das Belly Boat bietet vielen Anglern traumhafte Möglichkeiten zur Fischerei auf alternative Zielfische. Und ja, natürlich müssen sich auch die Gerätehändler auskennen und ihre Kunden für die Fliegenfischerei auf Hecht und Co. richtig beraten können.
Kann es nicht auch sein, dass viele Fliegenfischer diese Zielfische nicht wollen, weil hier weniger Exklusivität geboten wird?
Das glaube ich nicht. Und sollte es doch so sein, empfehle ich jedem der über die Hechtfischerei lacht, es einmal selbst zu probieren.
Du hast es vorhin bereits angesprochen, die Salzwasserfischerei boomt. Erkennst Du hier besondere Reisetrends?
Natürlich sind die Reisetrends abhängig von den jeweiligen Vorlieben der Angler. Allerdings merke ich schon, dass sogenannte „Selfmade Fishing-Trips“ zu relativ bekannten Salzwasserdestinationen wie Cuba, Venezuela oder auch Florida immer stärker nachgefragt werden. Hier ist es ja auch möglich, den einen oder anderen Fisch direkt vom Ufer aus zu fangen, was natürlich reizvoll ist. Allerdings müssen auch in der Karibik – die ja noch von Fisch voll ist – die Schuppenträger erst gefangen werden, das darf man dabei nie vergessen. Aber auch Asien, hier vor allem in Richtung der Andamanen, bietet sensationelle Möglichkeiten zur Salzwasserfliegenfischerei. Also kurz gesagt: die üblichen Verdächtigen wie der indische Ozean oder die Karibik boomen weiter, werden allerdings auch um neue Destinationen ergänzt. Gerade für Selfmade-Trips ist Google ja eine unglaubliche Hilfe. Ich such mir zum Beispiel meistens Inseln mit ungefähr 30 Kilometer Länge und arbeite mich dann von Spot zu Spot. Und falls diese Reisen allesamt zu kostspielig sind: auch die untere Adria zum Beispiel in Montenegro bietet tolle Möglichkeiten zu echten Kampfpreisen.
Günter, Du bist ja unter anderem auch Gründungsmitglied der EFFA (European Flyfishing Association) und auch deren Präsident, kannst Du kurz erklären was denn die EFFA ist?
Die EFFA ist eine europäische Fliegenfischerorganisation die in über 20 Staaten Mitglieder hat und auch tätig ist. Wir bieten verschiedenste Zertifizierungsprogramme für Fliegenfischer und natürlich auch die Möglichkeit zum direkten Austausch mit anderen Fliegenfischern und auch prominenten Personen aus der Szene, welche man sonst ja oft nur aus Magazinen kennt. Dieser Austausch ist natürlich auch bezüglich der vorhin angesprochenen Selfmade-Reiseplanung ein großer Vorteil. Am besten einfach mal auf www.effa.info vorbeischauen, wir freuen uns immer über neue Mitglieder.
Kurz zurück zu den angesprochenen Stufen eins bis fünf. Wo siehst Du denn momentan noch fliegenfischereiliche Herausforderungen für Dich? Wo fehlt Dir denn noch der Lebensfisch?
Natürlich gibt es in unseren Gewässern noch den einen oder anderen Fisch der auf meiner Liste steht. Aber wie gesagt, in den letzten Jahren habe ich mich verstärkt der Salzwasserangelei zugewendet und bin hier jetzt bei den wirklich großen und wirklich schnellen Fischen angelangt. Und ja, da gibt es schon noch den einen oder anderen weißen Fleck.
Verrätst Du diesen auch?
Auch wenn ich vor kurzem in Guatemala meine – selbst schon oft verwendete – Aussage „wenn Du einen Fisch nicht landest, dann steht er Dir auch nicht zu“ wohl nicht hören wollte (lacht), aber ja, mir ist ein kapitaler blauer Marlin im Drill ausgestiegen. Der Fisch hatte wohl 250 bis 300 Kilogramm und es war einfach unglaublich dieses Geschöpf zu drillen. Zur besseren Vorstellung: die Sprünge im Drill sahen aus, als würde jemand einen Kleinwagen ins Meer schmeißen. Unglaublich. Und dann hab ich ihn verloren. Ja, ich hoffe, so ein Fisch auf Fliege kann bald von mir gelandet werden. Allerdings muss ich dazu sagen, dass es – gerade bei Fischen dieser Größe – schon auch mit der Drillzeit vereinbar sein muss. Ich bin ein absoluter Feind des ewigen Drills. Mit IGFA-Rekorden (Anm.: hier werden unter anderem genau die Vorfachstärken etc. spezifiziert um als offizieller Rekord zu gelten) kannst Du mich beispielsweise jagen, meiner Meinung nach gehört dieses Regelwerk in Bezug auf Ultralight Tackle verboten. Oftmals werden 20 Fische totgedrillt nur um mit dem 21. den Rekord schlussendlich zu brechen. Das hat mit Fischen nichts mehr zu tun. Es sollte doch klarerweise dabei auch um den Fisch gehen. Der momentane IGFA-Lighttackle-Sailfish-Rekord wurde beispielsweise mit einem Ein-Kilogramm-Vorfach aufgestellt, das ist doch nicht normal. So ein Vorfach ist oftmals bei einer Durchschnittsforelle zu schwach. Ich hoffe dass sich dieser „Fisch um jeden Preis“-Trend, sei es bei den Rekorden oder auch bei den Fliegen nicht ausbreitet.
Als Abschluss noch eine schwierige Frage: Gibt es einen Fisch an den Du Dich besonders gerne erinnerst? Hast Du einen „schönsten Fisch“?
Pfuh … (Denkpause)… Oftmals sind ja die größten Fische nicht die subjektiv schönsten Fische. Ich erinnere mich zum Beispiel sehr gerne an eine Äsche, die ich im Polar-Ural in Russland gefangen habe.
Sie war keineswegs klein, ich denke sie hatte 53 Zentimeter. Das besondere war allerdings die Fahne des Fisches. Als ich diese Äsche in den Händen hielt war ich einfach dankbar, dass die Natur so etwas Schönes erschaffen hat und ich noch dazu das Geschenk bekam diesen Fisch in meinen Händen zu halten. Ja, ich denke diese Äsche ist eine gute Wahl.
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Daten und Fakten Günter Feuerstein
1965 in Dornbirn geboren, lebt Feuerstein seit vielen Jahren in der Schweiz, wo er als Lehrer arbeitet und eine Fliegenfischerschule leitet. Er fischt seit 1978 mit der Fliege und gilt als einer bekanntesten Fliegenfischer-Instruktoren weltweit. Günter Feuerstein demonstrierte das moderne Fliegenwerfen bei zahlreichen internationalen Events auf verschiedenen Kontinenten und hat seine Philosophie des Fliegenwerfens in unzähligen Wurfkursen vom Westen der USA bis zum äußersten Osten Russlands verbreitet. Auch einige von ihm entwickelte Trickwürfe und Techniken (z.B. Backhand-Doppelzug, auch bekannt als High Hauling, Snap-T, Snap-Z, Magic Switch Cast oder der vertikale Bogenwurf) finden bei vielen Fliegenfischern Verwendung. Die Nymphenfischerei ist Feuersteins große Leidenschaft, auf diesem Gebiet hat er sich spezialisiert und mit dem Lehrbuch „Erfolgreich Nymphenfischen auf Salmoniden“ darüber auch sehr erfolgreich publiziert. Feuerstein ist zudem Konsulent und Mitglied des Loop-Pro Teams.
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